Montag, 16. Juli 2012

Liebe

Wann empfinden wir unsere Beziehungen als reich? Meist in jenen Momenten, in denen wir ganz wir selbst sein können – mit allen Facetten unserer Persönlichkeit.

Wonach suchen wir in der Liebe? Und was genau brauchen wir, um eine erfüllte Beziehung zu leben? Wir wollen geliebt und respektiert werden, wir wünschen uns, dass der andere unser tiefstes Inneres erkennt. Nähe, Vertrauen und Sicherheit schaffen die Basis einer solchen Beziehung – einer Partnerschaft, in der wir ganz wir selbst sein können, in der wir nicht das Gefühl haben, irgendwie netter, umgänglicher oder einfacher sein zu müssen, auch nicht besser oder schöner. Weil wir für all das geliebt werden, was wir wirklich sind.

Die Frage ist nur, wie erreichen wir diesen Zustand? Entscheidend ist, was wir mit unserem Partner gemeinsam haben – und was als Gegengewicht dient zu jenen Aspekten unseres Lebens, in denen wir eben nicht übereinstimmen.

Denn erst wenn wir uns vollkommen auf unseren Partner einlassen, überlegen wir nicht länger, ob sich eventuell in naher Zukunft eine bessere Gelegenheit bietet – oder ob wir womöglich etwas verpassen. Automatisch nimmt dieses Einlassen eine Menge Druck weg. Wir hetzen nicht mehr von einem Beziehungs-Höhepunkt zum nächsten und und unterliegen auch nicht dem Irrtum, dass wir ein bestimmtes Liebesprogramm absolvieren müssten.

Stattdessen fühlen wir uns einfach nur wohl. Mit uns selbst. Und mit unserem Partner. Wir lassen uns ein und dadurch verschwinden die Schranken, Nähe entsteht. Und zwar eine Nähe, die wahrhaftig ist, weil sie keinen Schmerz und keine Enttäuschung kennt, weil sie weder urteilt noch Erwartungen hat. Eine Nähe, die uns in jenen Zustand versetzt, in dem wir Liebe überhaupt erst empfinden können.

"Die Liebe", steht im 1. Korintherbrief im Neuen Testament, "ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen . . ."
Eine wunderbare Aussage, die genau dem Gefühl entspricht, das wir haben, wenn wir tatsächlich ganz wir selbst sein können mit unserem Partner. Doch das muss auch für den anderen zutreffen: Auch unser Partner soll er selbst sein können in unserer Anwesenheit. Das erreichen wir nur, wenn wir ihm mit Aufmerksamkeit und Geduld begegnen, wenn wir nicht versuchen, ihm unsere Meinung aufzuzwingen, und uns wirklich Zeit nehmen, um zu erfahren, was ihn bewegt und warum. Der Psychologe Erich Fromm ging sogar soweit, die Liebe zu beschreiben als eine Form der Kunst, die der Pflege und steter Übung bedarf und die wir nur meistern können, wenn wir unaufhörlich an uns selbst arbeiten – ohne zu versuchen, die Ecken und Kanten unseres Partners abzuschleifen.

Der indische Mystiker Eknath Easwaran bringt es so auf den Punkt: "Beziehungen zerfallen nicht, weil einer der Partner 'schlecht' ist, sondern einfach, weil wir Analphabeten auf dem Gebiet der Liebe sind".
Eknath Easwaran
Also sollten wir nicht mit unseren Partner ein wenig üben, um unsere Liebesfähigkeit zu verbessern? Sicherlich! Und: Wir können auch allein damit anfangen – und zwar sofort!

Acht Wege, um die verborgenen Reichtümer der Liebe zu entdecken:


1. Den Ideen freien Raum lassen
Nichts muss auf eine bestimmte Art erledigt werden, nur weil das immer so war, und auch wir und unser Partner müssen keine Kriterien erfüllen, nur weil das vielleicht den Konventionen entspricht.
Schon ein so simpler Satz wie: "Ich weiß es nicht" schenkt einer Beziehung ungeahnte Freiräume. Weil da plötzlich ganz viel Platz ist zum Experimentieren, Spielen, Ausprobieren. Es gibt keine Grenzen mehr, nur noch Ideen, die für die ganz eigene Liebe geboren werden.

2. Muster durchbrechen
Kleinigkeiten haben die unangenehme Eigenschaft, sich zu summieren, wenn wir es zulassen. Am Ende bringt das nichts außer einem dicken Minus auf unserem Beziehungskonto – und einem nagenden Gefühl der Unzufriedenheit, das meist jeder Grundlage entbehrt. Also: Kleinere Ärgernisse besser abschreiben! 
Der erste und entscheidende Schritt besteht darin, das man bei einem Konflikt einfach mal . . . nichts tut.
Wir geben keine schnippischen Antworten und wehren uns nicht gegen die Situation.  Wir halten stattdessen inne – akzeptieren unsere eigenen Gefühle, aber auch die unseres Partners. Wir fragen uns: "Was empfinde ich gerade – und in welchem Teil meines Körpers empfinde ich es?"
Und wir  können feststellen: Diese paar Augenblicke können alles wieder ins Lot bringen – ohne dass sich Wut unnötig aufstaut. Wenn wir es wirklich mit einem ehrlichen Herzen versuchen.

3. Sich öffnen für die Liebe
Indem wir uns fragen, wie wir unseren Partner mehr lieben können, fragen wir uns zugleich, wie wir uns der Liebe, die uns der Partner geben möchte, mehr öffnen können. Die spirituelle Lehrerin Marianne Williamson hat einen wunderbaren Tipp: "Es ist nicht unsere Aufgabe, nach Liebe zu suchen. Stattdessen sollten wir uns daran machen, all die Mauern zu finden, die wir in uns selbst errichtet haben. Die Liebe wartet auf ein Willkommenszeichen, nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt."

4. Zeit für sich selbst
Es ist unermesslich wichtig, dass wir uns regelmäßig Zeit für uns selbst nehmen. Zeit, für die Dinge, die uns besonders am Herzen liegen. Eine Beziehung hat viel größere Chancen, wenn wir wissen, was uns guttut, und wir diese Zufriedenheit auch empfinden wenn wir allein sind. So werden wir nicht der Versuchung erliegen, von unserem Partner zu erwarten, dass er uns glücklich macht – eine Erwartung, die er ohnehin nicht erfüllen kann!

5. Lektionen im Geben
Vielleicht glauben wir, von unserem Partner nicht das zu bekommen, was wir verdienen.
Dann können wir versuchen, genau diesen Gedanken einmal umzudrehen –  und geben unserem Partner genau das, was wir selbst vermissen. Liebe, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Anerkennung, Berührung . . . Durch diese Haltung wird alles, was wir uns selbst wünschen, zu uns zurückkommen.
Es ist die erste Lektion im Geben und zunächst mag sie überzogen erscheinen, tatsächlich aber führt sie dazu, das wir uns öffnen und empfänglicher werden für Aufmerksamkeiten, die uns zuvor entgangen sind.
Franz von Assisi sagte einmal: "Ein Mensch mit gütigem, hoffenden Herzen fliegt, läuft und  freut sich, er ist frei . . . Weil er geben kann, empfängt er."

6. Verantwortung für das eigene Glück
Es ist essentiell, dass wir zu jeder Zeit die Verantwortung für unser Glück übernehmen und diese Verantwortung nicht unserem Partner zuschieben. Wenn wir uns das bewusst machen, können viele Konflikte gar nicht erst entstehen. Wenn es kritisch wird – bleiben wir einfach "bei uns selbst". Es besteht gar kein Grund, sich auf das Verhalten unseres Partners zu fokussieren, wir müssen auch nichts analysieren oder kritisieren. Konzentrieren wir uns stattdessen auf unser eigenes Inneres – auf unsere Ängste, unsere Bedürfnisse, unsere Emotionen – in diesem Moment.
Wie der Paartherapeut Harvill Hendrix sagt: "Es braucht zwei Menschen für eine schlechte Beziehung, aber nur einen Menschen, um sie wieder in Ordnung zu bringen."

7. Vorurteile? Gibt es nicht
Wir können ein Spiel spielen: Wir suchen uns einfach mal bestimmte Tage heraus, an denen wir uns bewusst vornehmen, nicht zu urteilen – weder über uns selbst noch über unseren Partner. Und: Widerstehen wir dem Drang, an diesen Tagen Recht zu haben!
Durch dieses simple Nicht-Urteilen nehmen wir praktisch eine Auszeit von unserem Ego – und das ist eine wahre Wohltat, denn das Ego ist oft darauf programmiert, alles und jeden zurückzustutzen. Aber es ist gar nicht notwendig, ständig jede Kleinigkeit auszudiskutieren oder sie auch nur zu erwähnen. Manchmal lohnt es sich nicht einmal, einen Gedanken an sie zu verschwenden. Das bedeutet nicht, dass wir bestimmte Dinge verdrängen oder ausblenden sollen – sondern nur, dass wir ganz einfach den Moment selbst leben. Und das ist ganz wundervoll.

8. Das Göttliche im anderen
"Namasté" lautet die Begrüßung in Indien und Nepal – ein Ausdruck, mit dem das Göttliche im anderen begrüßt werden soll. Wir können die Bedeutung dieses Rituals in ähnlicher Form auch für uns annehmen, indem wir das Höchste und Schönste in unserem Partner anerkennen, jedes Mal, wenn wir ihm gegenübertreten. Dazu müssen wir keine großen Worte sprechen, aber eine Wahrhaftigkeit in unserem Herzen tragen: Gemeinsam bilden wir eine Einheit, etwas Einmaliges, Wunderbares, das nicht perfekt ist, aber dennoch vollkommen.

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